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Neubesetzung des Anstaltsbeirats – Heribert Wipperfürth wird nach 35 Jahren verabschiedet
von links: Jörn Patzak, Joachim Wagner, Adelheid Wax, Günther Wagner, Doris Mann-Backes, Hans-Georg Simon, Heribert Wipperfürth, Bruno Hebel, es fehlt Alfons Schmitz © JVA Wittlich / Leyendecker
Justizminister Herbert Mertin hat auf Vorschlag des Kreistages Doris Mann-Backes, Adelheid Wax, Alfons Schmitz, Günther Wagner, Joachim Wagner sowie Hans-Georg Simon erneut zu Anstaltsbeiräten der JVA Wittlich ernannt. Ausgeschieden aus dem Anstaltsbeirat ist Heribert Wipperfürth, dessen Platz Bruno Hebel, Niederlassungsleiter des Personaldienstleisters Armon in Wittlich, einnimmt. Die Anstaltsbeiräte wirken in der dreijährigen Amtszeit in regelmäßigen Beiratssitzungen an der Gestaltung des Vollzuges und der Eingliederung der Gefangenen in der JVA Wittlich mit. Anstaltsleiter Dr. Jörn Patzak bedanke sich bei der Übergabe der Ernennungsurkunden für das soziale Engagement der Beiratsmitglieder: „Mit Ihrer beruflichen Expertise und Ihren vielfältigen Kontakten in der Region fungieren Sie für Gefangene und Bedienstete gleichermaßen als wichtige Ansprechpartner. Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie mit Ihrem Ehrenamt einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Verständnisses für den Strafvollzug und seiner gesellschaftlichen Akzeptanz leisten!“ Besonders geehrt wurde das ausscheidende Beiratsmitglied Heribert Wipperfürth. Für seine 35-jährige Tätigkeit im Anstaltsbeirat der JVA Wittlich seit 1988 überreichte Dr. Jörn Patzak in Namen von Justizminister Herbert Mertin eine persönliche Dankesurkunde und verabschiedete ihn mit Geschenken aus den Betrieben der JVA Wittlich.
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Justizvollzugsanstalt Wittlich und Landkreis unterzeichnen Kooperation im Katastrophenschutz
von links: Landrat Gregor Eibes, Anstaltsleiter Dr. Jörn Patzak und Brand- und Katastrophenschutzinspekteur Jörg Teusch
Im Katastrophenfall müssen viele Hände schnell zusammenarbeiten. Diese Erkenntnis hat sich in der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr noch einmal bewahrheitet. Dies gilt nicht nur für Rettungs- und Hilfsorganisationen sowie die Bürgerschaft, sondern auch darüber hinaus. Um im Ernstfall schnelle Hilfe leisten zu können ist ein Blick über den Tellerrand wichtig. Eine ungewöhnliche Kooperation gehen der Landkreis Bernkastel-Wittlich und die Justizvollzugsanstalt (JVA) in Wittlich ein. Anstaltsleiter Dr. Jörn Patzak und Landrat Gregor Eibes haben hierzu eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet.
Aktuell wäscht und lagert die Justiz 200 Feldbetten des Landkreises inklusive Bettwäsche ein. Des Weiteren verfügt die Justiz über ein COHB-Gerät das sie den Feuerwehren und dem Katastrophenschutz im Einsatzfall zur Verfügung stellt. Mit diesem Gerät kann sehr schnell der Kohlenmonoxid-Gehalt im Blut eines Menschen bestimmt werden und so Klarheit über den Patientenzustand beim Verdacht auf Rauchgasvergiftung geschaffen werden.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Unterstützung durch die Justiz bei der Verpflegung im größeren Umfang im Krisenfall. Die Küche und die Bäckerei bieten hier optimale Voraussetzungen die eigenen Einheiten des Katastrophenschutzes zu ergänzen. Diese Strukturen sind besonders wichtig bei länger anhaltenden Schadenslagen, wenn es darum geht Rettungskräfte über Tage oder auch Wochen zu versorgen.
Im Gegenzug unterstützt der Katastrophenschutz die Justiz bei Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen. Auch sind Resozialisierungsprojekte im Bereich Feuerwehr- und Brandschutz mit Strafgefangenen geplant.
„Bei der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr kam mir die Idee, dass wir als Gefängnis mit rund 600 Insassen Struktur und Logistik haben, um im Katastrophenfall unterstützen zu können“, erläutert Anstaltsleiter Patzak. Mit einer Unterstützung wolle man auch ein Zeichen nach außen setzen, dass die Gefangenen mit ihrer Arbeit einen Beitrag für die Gesellschaft leisten.
Beim Katastrophenschutz des Landkreises stieß Patzak mit seiner Idee auf offene Ohren. „Wir sind froh und dankbar für dieses Angebot der JVA. Die Kooperation mit dem Wittlicher Gefängnis ist ein wichtiger und verlässlicher Baustein im Schutzkonzept des Landkreises“, freut sich Landrat Gregor Eibes.
JVA Wittlich begüßt 600 neue Mitarbeiterinnen
Nach Ablauf des Pachtvertrages am bisherigen Standort in St. Paul wurde die Landwirtschaft der JVA Wittlich wesentlich umgestaltet. Schweren Herzens wurde die seit 1989 geführte Charolais-Rinderzucht Ende 2020 eingestellt. Stattdessen liegt der neue Fokus auf der Feldwirtschaft sowie moderner Hühnerhaltung. Die JVA Wittlich betreibt nun auf dem Mesenberg, in unmittelbarer Nähe zum Mariahof, zwei mobile Hühnerställe mit insgesamt 600 Legehennen und hat den Bestand somit fast verdoppelt.
Durch diese Haltungsform steht den Hennen alle acht bis zehn Tage frisches Grünland zur Verfügung. Hochwertige Eier aus Freilandhaltung sind ohne Vorbestellung in der Gärtnerei der JVA Wittlich erhältlich.
Darüber hinaus können Kartoffeln, Kohl, Wirsing, Tomaten, Gurken, Bohnen, Möhren, Salat und vieles mehr aus Eigenproduktion erworben werden. Natürlich wird auch eine Vielzahl saisongerechter Blumen und Nutzpflanzen angeboten.
Sofern Sie auf der Suche nach regionalen Produkten aus Meisterhand sind, ist unsere Gärtnerei die richtige Adresse.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
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Auszeichnung der ehrenamtlichen Vollzugshelfer der JVA Wittlich mit der Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz
Die Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz wird von der Ministerpräsidentin für eine mindestens 12-jährige ehrenamtliche Tätigkeit in der kommunalen, sozialen, wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Selbstverwaltung, in Vereinigungen mit sozialen oder kulturellen Zwecken oder für vergleichbare Tätigkeiten verliehen.
Am 21.05.2019 überreichten Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Herr Justizminister Herbert Mertin in einer Feierstunden u. a. den ehrenamtlichen Vollzugshelfern der JVA Wittlich Herrn Waldemar Kemler, Siddik Simsek und Siegfried Skubski die Ehrennadel in der Staatskanzlei in Mainz.
Weiterführende Informationen finden Sie unter https://www.rlp.de/de/aktuelles/einzelansicht/news/detail/News/anerkennung-fuer-grosses-ehrenamtliches-engagement-in-der-justiz/
sowie eine Bildergalerie unter https://www.rlp.de/de/service/mediathek/detail/?tx_rlpmediathek_album%5Bstoragepid%5D=&tx_rlpmediathek_album%5Balbum%5D=712&tx_rlpmediathek_album%5Baction%5D=show&tx_rlpmediathek_album%5Bcontroller%5D=Album&cHash=6abbc37406d0818c2f4f2678310f1b98
Da Herr Waldemar Hein am 21.05.2019 verhindert war, überreichte Herr Justizminister Herbert Mertin ihm am 25.06.2019 im Justizministerium feierlich die Ehrennadel für sein ehrenamtliches Engagement, welches Herr Hein seit 2003 in der JVA Wittlich ausübt.
Weitere Informationen zu der Veranstaltung finden Sie unter https://jm.rlp.de/de/service/presse/detail/news/detail/News/ehrenamtliche-sozialrichterinnen-und-richter-sowie-vollzugshelfer-von-justizminister-herbert-mertin/
Spendenübergabe von JVA und JSA Wittlich an Anna‘s Verein e.V. und Kicker gegen Krebs e.V.
Die Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) und Jugendstrafanstalt (JSA) Wittlich, Jörn Patzak und Jürgen Thum, überreichten „Anna’s Verein e.V." und dem „Verein Kicker gegen Krebs e.V." Spenden in Höhe von jeweils 500,- Euro. Bei den Spenden handelt es sich um den Erlös des von der JVA und JSA Wittlich einmal jährlich veranstalteten Indoor-Cycling-Wettbewerbs „Jail-Ride", bei dem sich jeweils etwa 100 Teilnehmer – Inhaftierte, Bedienstete und externe Gäste – in der Sporthalle der JVA Wittlich unter Anleitung von professionellen Trainern bis zu 5 Stunden lang auf Indoor-Cycling-Rädern für einen guten Zweck sportlich betätigen. Schirmherr des „7. Jail-Ride" war Rudi Cerne, Moderator u. a. von Aktenzeichen XY und früherer Weltklasse-Eiskunstläufer.
Hintergründe zu „Anna’s Verein e.V." und dem „Verein Kicker gegen Krebs e.V.":
„Anna’s Verein e.V." fördert Einrichtungen zur Behandlung chronisch und krebskranker Kinder. Gegründet wurde der Verein im Jahr 2000 auf Initiative der selbst an Krebs erkrankten Anna Becker, um anderen Betroffenen zu helfen und ihnen Mut zu machen. Anna starb am 23.11.2003. Anna’s Verein unterstützt neben Projekten für chronisch- und krebskranke Kinder auch die Beratungsstelle Papillon Trier, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, krebskranken Eltern und ihren Kinder dabei zu helfen, die Zeit der Krankheit gemeinsam zu bewältigen.
Der Verein „Kicker gegen Krebs e.V." unterstützt als Fußball-Benefiz-Mannschaft die Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz. Rund um den Vorsitzenden Uwe Heinsdorf, ehemaliger Regionalliga-Fußballer u. a. beim FSV Salmrohr, werden Benefiz-Spiele gegen Vereine aus der Region veranstaltet. Der Erlös der Spiele kommt dem Erhalt und Ausbau des Informations- und Beratungszentrums Trier der Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz zugute. Zudem organisiert der Verein Aktionen zu Gunsten der Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz.
Gedenktafel zur Erinnerung an zwei Inhaftierte der JVA Wittlich während des 2. Weltkrieges, die dem NS-Regime zum Opfer fielen
Am 22. Februar 2014 wurden vor der Pforte der JVA Wittlich messingbeschlagene, ins Pflaster eingelassene Steine (sog. Stolpersteine) verlegt, um zweier Menschen, Jean Daligault und Karl-Heinz Scheurer zu gedenken, die während des 2. Weltkrieges in der JVA Wittlich inhaftiert waren und später dem NS-Regime zum Opfer fielen. Am 26.Januar 2018 wurde nun im Rahmen einer kleinen Feierstunde in Anwesenheit von Dieter Burgard, Bürgerbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter für die Landespolizei, Elfriede Marmann, Beigeordnete der Stadt Wittlich, Brigitte Coen, Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (Landesbetrieb LBB) sowie Rechtsanwalt Thomas J. Miller und Stefan Endres von der Georg-Meistermann-Gesellschaft ergänzend eine Gedenktafel mit den Biografien von Jean Daligault und Karl-Heinz Scheurer im Bereich des Besuchereingangs der JVA Wittlich eingeweiht.
Herr Burgard, zugleich Vorsitzender des Fördervereins Gedenkstätte KZ Hinzert e.V. und Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Rheinland-Pfalz, würdigte in seiner Rede die Initiatoren der Gedenktafel, insbesondere den Historiker Dr. Thomas Schnitzler aus Trier, der die Biographien zusammengestellt hat:
„Stolpersteine sind kleine Erinnerungsmahnmale. Sie bedürfen auch der Information. Dies geschieht meist durch Broschüren oder Internet-Veröffentlichungen oder Facharbeiten von Schülern. Hier haben wir mit direkten Informationen vor Ort, die Thomas Schnitzler zusammenstellte, ein sehr gutes Beispiel, wie es gelingen kann, das Mahnen mit der Information zu verbinden. Der JVA Leitung, hier besonders Herrn Patzak, bin ich dankbar für das Interesse und die Umsetzung dieser Tafeln. Eine Aufgabe ist es, auch im Jahr 2018 nicht neue Denkmäler zu setzen, sondern wir setzten die Steine zum Prozess des Erinnerns, Trauerns, des Erkennens der Bedeutung damals und für die Zukunft. Einbezogen werden alle NS-Opfergruppen, nicht nur jüdische Opfer und heute gerade die eher vergessenen Opfer. Heute danke ich auch nochmals der Initiative der Georg-Meistermann-Gesellschaft, die mit den ausgewählten Menschen, in deren Gedächtnis die Steine verlegt sind, auch an Insassen der Haftanstalt und politisch Andersdenkende, ja auch Menschen mit Behinderung als Opfer der NS Diktatur erinnern.“
Rechtsanwalt Thomas J. Miller, Vorstand der Georg-Meistermann-Gesellschaft, hob in seinem Grußwort die Bedeutung der Stolpersteine und der neu angebrachten Gedenktafel hervor:
„Die Georg-Meistermann-Gesellschaft sieht in den vor der Außenpforte der Justizvollzugsanstalt verlegten Stolpersteinen und der Gedenktafel mit den Biografien von Jean Daligault und Karl-Heinz Scheurer einen wichtigen Beitrag der Erinnerungsarbeit. Mit den Stolpersteinen, jeder für sich ein kleines Monument, dennoch alles andere als monumental, wird in würdiger Weise dem persönlichen Schicksal der ehemaligen Insassen Daligault und Scheurer erinnert. Denn Erinnerung ist dann wirkungsvoll, wenn sie vor Ort geschehen kann und mit konkreten Schicksalen unmittelbar verbunden ist. Nur so verliert das Unfassbare der Naziverbrechen seine Unfassbarkeit.“
Auf der Gedenktafel sind die Biographien von Jean Daligault und Karl-Heinz Scheurer wie folgt dargestellt:
Jean Daligault
Jean Daligault wurde am 4. Juni 1899 in der französischen Stadt Caen geboren. Nach dem Theologiestudium und der Priesterweihe betreute er als Vikar in der Normandie die katholischen Pfarrgemeinden von Vire, Trouville und Olendon. Wegen seines großen sozialen Engagements, insbesondere für die Jugend, die er für Theaterspiel, Modellieren und Zeichnen begeisterte, galt Jean Daligault als fortschrittlicher Priester. Ungewöhnlich an dem Priester Daligault war auch, dass er sich als freischaffender Maler und Bildhauer weitum hohe Anerkennung erwarb. Den Aufstieg des Nationalsozialismus in dem benachbarten Deutschen Reich beobachtete Daligault mit wachsender Sorge, seit er auf seinen Reisen nach München, Köln und Nürnberg die jubelnde Bevölkerung bei den Propagandaschauen des Regimes gesehen hatte. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1940 unterstützte er die französische „Resistance“ (geheimer Widerstand) gegen das Besatzungsregime. In Villerville wurde er am 31. August 1941 verhaftet und anschließend für ein Jahr in Paris unter Gefängnisarrest gestellt. Aufgrund des „Nacht- und Nebelerlasses“ (folgend NN) kam Daligault wegen „Widerstandes gegen die Besatzungsmacht“ mit einem Gefangenen-Sammeltransport am 11. Oktober 1942 in das SS-Sonderlager/KZ Hinzert. Dort begann er heimlich auf Bildzeichnungen und Mini-Skulpturen seinen Leidensweg als Zwangsarbeiter und Häftling zu dokumentieren. Bedingt durch den Essensentzug, die Kälte und die Hygienemängel erkrankte Daligault an einer schweren Tuberkulose. Nach seiner Entlassung aus Hinzert erwartete Daligault in den Strafanstalten von Trier, Wittlich (1943: 25. März bis 6. Mai und 10. Juli bis 8. September) und Köln sein Strafverfahren vor dem Volksgerichtshof in Trier. Der Schuldspruch vom 29. November 1943 ist nicht überliefert; wohl aber die von Daligault heimlich gezeichneten Porträtbilder seiner Richter und auch sein letztes Selbstporträt als NNHäftling. Er übergab diese mit seinem gesamten Häftlingswerk dem Trierer Gefängnispfarrer Nikolaus Jonas zur vertraulichen Aufbewahrung. Am 18. August 1944 überstellte ihn die SS in das Zuchthaus nach München-Stadelheim. Im März oder April 1945 starb Jean Daligault im KZ Dachau kurz vor dessen Auflösung unter ungeklärten Umständen.
Karl-Heinz Scheurer
Karl-Heinz Scheurer wurde am 9. Februar 1916 in Koblenz geboren. Seine Eltern trennten sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 und verließen Koblenz. Seinen Vater sah Karl-Heinz nicht mehr. Als er sechs Jahre alt war, verschwand auch die Mutter aus seinem Leben. Bei ihrer Auswanderung mit einem anderen Mann nach Ohio (USA) wollte sie ihren Sohn eigentlich mitnehmen. Doch Karl-Heinz blieb zurück im Haushalt bei seiner Großmutter in Koblenz, die das Sorgerecht über ihn bis zum Ende seiner Schulzeit behielt. Nach dem Abbruch einer Schlosserlehre und mehreren Diebstählen stellte die Jugendfürsorgebehörde 1931 den gerade erst Fünfzehnjährigen unter „staatliche Obhut.“ Als „Fürsorge-Zögling“ erlitt Scheurer in den Heil- und Jugendpflegeanstalten Solingen (1931-32), Waldbröl (1932-37), Andernach (Dezember 1937), Düren (Frühjahr 1938 u. Frühjahr 1940) und Waldheim (April 1940) die aus aktuellen Studien bekannten Drangsale eines Heimkindes seiner Zeit. Für die Anstaltsleiter war dieser Junge nichts weiter als „der typische Fürsorgezögling, dumm und frech in seinem Benehmen, aber zu lenken, wenn er fest angefasst wird“ (August 1934, Aktennotiz). Scheurers angeblich „angeborener Schwachsinn“ erschien ihnen allein wegen seiner zerrütteten Familienverhältnisse als zweifelsfrei erwiesen: „Ehe der Eltern geschieden, Vater lebt mit einer polnischen Frau, die Mutter hat einen Amerikaner geheiratet“, lautet eine diesbezügliche Aktennotiz (1932). 1935 veranlasste das Erbgesundheitsgericht Koblenz nach Anzeige des Heimleiters von Waldbröl gegen Scheurer die Zwangssterilisation. Bei der Operation durch seinen Anstaltsarzt (14.10.1935) erlitt er schmerzhafte Wund-„Vereiterungen“. Beinahe allwöchentlich musste der als aggressiv und sexuell übergriffig beschriebene Scheurer extrem gewaltsame Disziplinarmaßnahmen über sich ergehen lassen, unter anderem Zwangs-Ruhigstellen im Bett und Zwangsinjektionen von Beruhigungsspritzen. Bei einem endlich erfolgreichen seiner mehrfachen Ausbruchsversuche entwich Scheurer im Winter 1937 aus Waldbröl. Auf seiner vierwöchigen Flucht beging er in Koblenz einen Einbruchdiebstahl und belästigte eine Passantin sexuell. Nach seiner Verhaftung (17.12.1937) und der anschließenden Zwangseinweisung in Andernach verurteilte ihn das Landgericht Bonn am 26. August 1938 wegen „Notdiebstahls und versuchter Notzucht zu einer Gesamt-Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten“.
Zur Verbüßung seiner Strafe kam Scheurer am 27. August 1938 in die Strafanstalt nach Wittlich. In Anrechnung seiner Bonner Untersuchungshaft war die Haftzeit bis zum 27. Januar 1940 berechnet. Die auf jenen Termin zielende Hoffnung Scheurers auf baldige Rückkehr in die Freiheit erfüllte sich nicht. Gleich nach seiner Haftentlassung nahmen ihn zwei Polizeibeamte in Gewahrsam und brachten ihn mit einem Dienstwagen zur weiteren Anstaltsverwahrung zurück nach Düren. Beim Wiedereintritt in die Heil- und Pflegeanstalt erklärte Scheurer, mehr aus Gehorsamspflicht denn aus Überzeugung, „er sei froh, dass er wieder hier sei.“ Unterwegs hätte „er sich vorgenommen, sich hier sehr zusammenzunehmen, damit er nicht zeitlebens festgehalten werde.“ Für die Zeit nach seiner Entlassung könnte er sich vorstellen, „zum Militär zu kommen, jedenfalls sei er schon zweimal gemustert worden.“ Der Anstaltsarzt aber verwarf diesen Gedanken an eine mögliche Resozialisierung sogleich. In dem von ihm geführten Aufnahmeprotokoll bestätigte er Scheurers aktennotierten „früheren Befund“ über seinen angeblich „angeborenen Schwachsinn“. Mit diesem Erbkrankheitsbefund war Scheurers Schicksal besiegelt. Am 1. April 1940 fuhr ihn ein Sammeltransport mit 150 anderen Pflegepatienten nach Waldheim (Sachsen), der Zwischenanstalt der Tötungsanstalt Brandenburg-Görden. Mit einem weiteren Verlegungstransport kam Scheurer am 16. April 1940 in Brandenburg-Görden an. Er starb – wahrscheinlich noch am Einlieferungstage – in der anstaltseigenen Gaskammer.
Spendenübergabe der JVA Wittlich an die Beratungsstelle „Rückenwind“ für Angehörige von Inhaftierten und an nestwärme e.V.
Hintergründe: